MEDGYASZAY ISTVÁN
Budapest, 1877 - 1959

FAMILIEN GEDENKSTÄTTE
DES BAUKÜNSTLERS MEDGYASZAY

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FAMILIEN GEDENKSTÄTTE

MEDGYASZAY ISTVÁN - Budapest, 1877-1959 - betrieb seine Studien an der Wiener Akademie der Bildenden Künste, später wurde er - in diesem Rahmen - ausgezeichneter Student der Meisterschule von Otto Wagner: "Spezialschule für moderne Architektur". Gleichzeitig ist er Hörer der "Technischen Hochschule" (1900). Sein Diplom als Architekt erwarb er an der Budapester Technischen Universität im Jahre 1904.
Die nach J. Ruskin, W. Moris und Ph. Webb aus England entstandene kurzlebige "Sezession" - die Aufmerksamkeit auch auf die Volkskunst richtete - hat ganz Europa erobert. In der Architektur hat dieser Stil eine neue Ausbildungsform des Innenraumes bedeutet - mit seinen charakteristischen Verzierungen. In Ungarn beruhte diese Verzierung meist auf der ungarischen Volkskunst - wobei ihre geistvollen, charakteristischen strukturellen Lösungen angewandt worden sind. So wurde die ungarische Sezession die Wiege der "ungarischen Baukunst", des sebständigen "ungarischen Stils". Ab 1904 besuchte Medgyaszay die charakteristischen ethnographischen Regionen seiner Heimat. Dann studiert er - den Quellen suchend - die berühmten Orient-Sammlungen von Europa. Später, während seiner Reise im Fernen-Osten erreicht er Indien. Hier setz er seine Forschungen an der Quelle der nach erhaltenen Gruppen unserer Vorfahren, des verwandten hunnischen Volkes fort. So wurde Medgyaszay der konsequenteste Representant des "ungarischen Stils".


PANTEON 1902

An der Jahrhundertswende erscheint das neue Baumaterial des kommenden "Jahrtausends": der Eisenbeton, und einige dessen frühen Bauten. Medgyaszay war der erste der auf die ästhetischen Unvollkommenheiten des Eisenbetons hingewiesen hat. Aber er schritt noch weiter. In Wien 1908 hielt er am VIII. Internationalen Architektenkongress seine bedeutende Vorlesung: "DIE KÜNSTLERISCHE LÖSUNG DES EISENBETONBAUES" (Bericht, Wien 1908). Gleichzeitig hat er die künstlerischen Lösungen der neuartigen Eisenbeton-Konstruktion des damals beendeten Theaters in Veszprém vorgelegt: auf Grund der Volkskunst stilisierte vorgeferlgt Balkonträger-Konsole, prunkvoll formierte Bögen, patentierte Eisenbeton-Fenster, Pergolen, Lampenbehälter, ganz neuartige Säulenköpfe - alles aus Eisenbeton. Damit hat Medgyaszay die Grundsätze der künstlerischen Gestaltung des neuen Baumaterials der Zukunft, des Eisenbetons definiert und vorgestellt. Sein Theater in Sopron (1909) hat eine ähnliche Lösung.


GRUFT-KAPELLE IN RÁRÓS 1910

Die zwei Atelier-Häuser in Gödöllõ 1904 und 1906) sind mit ihrer modernen Formengestaltung, mit der neuartigen strukturellen Rolle des Eisenbetons, mit ihrer durch die Volkskunst inspirierten Stimmungen auch international unvergleichbar. Im Jahre 1910 wurde die Gruft-Kirche in Rárós (heute: Mul'a, in der Tschechoslowakei) vollkommen aus Eisenbeton gebaut. Der oktogonale Raum ist mit einer Kuppel aus 8 cm dicker Eisenbeton-Schale überdeckt. Der Schallraum des Glockenhauses im Turm ist eine 4 cm dicke Eisenbeton-Schale. Die Pavillons der Kriegs-Ausstellungen in Lemberg (Lwow) 1916 dann in Budapest 1918 sind Beispiele für die sinnreiche Umgestaltung der ungarischen Volkskunst - ihre heitere Stimmung widerspiegelt sich auch in seinen späteren Werken. Die Unbewandertheit, die Kurzsichtige Politik und die Gewissenlosigkeit der Westmächte hatte das Friedensdiktat von Trianon (1920) zu Folge, dessen verhängnisvolle Konsequenz aufs Ungartum sich noch heute auswirkt. Die wertvollsten Territorien von zerrissenem Ungarn - mit mehrmillionen Ungarn - wurden den Nachbarländern angegliedert. Das hat jeder Entwicklung und jeder Lebensmöglichkeit den Weg versperrt.


ATELIER-HAUS IN GÖDÖLLÕ 1905

Im Überbleibsel von Ungarn haben die Kapitalisten - meist von fremder Herkunft - durch die Presse auch auf das Geistesleben - so auch auf die Künste - eine führende Wirkung ausgeübt, was die kaum begonnenen Erstlingsversuche des "ungarischen Stils" vollkommen negiert hat. Diese Architekten haben unter dem Losungswort "Modernheit" mit dem Geisteskind der westlichen Ideenströmung, der "Zweckdienlichkeit" - von der Bauhaus-Schule geprägt - auch Ungarn mit öden Betonbauten überströmt. Dem kunstwidrigen Prinzip "ratio speculativ" stellte Medgyaszay seine Heiterkeit strahlende, sich auf ungarischen Traditionen beruhende Bauten gegenüber. Solche sind z.B. das Theater der armen Provinzstadt Nagykanizsa (1926). Die Essenz der ökonimischen und Tradition bewahrenden Konstruktion ist der auf den Boden gestellte Dachstuhl - eine geistreiche Lösung. Der Touristen-Gasthof in Mátraháza (1927) ist eine geistvolle, die Stimmung des weiten Ostens zitierende Lösung. In Budapest, die ehemalige Reformierte Mädchen-Erziehungsanstalt und Lyceum (1928), ein ausgezeichneter Gebäude-Komplex, spiegelt auch östliche Stimmung wider. Das Mietshaus in Budapest József Attila Strasse 12., (1938) ist einer seiner letzten Versuche der Formwelt des "ungarischen Stils" Ausdruck zu geben.


TOURISTEN-GASTHOF IN MÁTRAHÁZA 1927

An zahlreichen in und ausländischen Wettbewerben hat er Preise und Auszeichnungen gewonnen und Anerkennung gefunden. Seine jugendliche Idealvorstellung der Entwurf eines imposanten National-Panteons am St. Gellért-Berg wurde mehrmals ausgezeichnet (Wien 1903, Budapest 1906, Paris 1907, London 1909, Monza 1923). Heute werden leider seine bedeutendesten Bauten unter der Losung "Modernisierung" - trotz aller Verwahrungen der Familie Medgyaszay - unverstanden umgebaut, sie ihrer originellen Schönheit beraubend. Deshalb wenden wir uns an die kultivierten und sich für die wahren Werte einsetzenden Künstler der Welt: sie sollen bei den kompetenten ungarischen Behörden fordern, dass diese in ihre originelle Form zurückgestellt werden ! Das ist ja Gemeingut nicht nur des ungarischen Volkes, sondern der ganzen Menschheit. (Zoltán Bartha)


THEATER IN VESZPRÉM 1908

THEATER-INTERIEUR IN VESZPRÉM 1908

THEATER IN SOPRON 1909


THEATER-INTERIEUR IN NAGYKANIZSA 1926

ZURICK

VI. VORTRAGSSITZUNG. FREITAG DEN 22. MAI 1908, 9 UHR VORMITTAG. IM SAALE ÖSTERREICHISCHEN INGENIEUR UND ARCHITEKTENVEREINES.

VORSITZENDER Oberbaurat v. WIELEMANS: Ich habe die Ehre, den Architekten Prof. Freiherr v. SCHMIDT aus München und Hofrat FITTLER aus Budapest als Ehrenvorsitzenden und die Herren REPULLES Y VARGA und SIMPSON als Ehrenschriftführer vorzustellen.Ich erteile das Wort Herrn Architekten MEDGYASZAY aus Budapest zu seinem Vortrage:

"ÜBER DIE KÜNSTLERISCHE LÖSUNG DES EISENBETONBAUES" Architekt MEDGYASZAY:

Die größte der äußeren Kräfte und Umstände, welche auf die Entwicklung der Baukunst einwirkt, ist die Weltanschauung. Sie enthält schon in sich die Aufgabe und die Notwendigkeit. Die äußeren Umstände haben in den verschiedenen Ländern und bei jeden anderen Völkern verschiedene Einwirkung. Das sind das Klima, die Erkenntnis, oder das unbewußte künstlerische Fühlen der wirkenden Kräfte, und die künstlerische Fähigkeit, dies zur Geltung zu bringen, es zu versinnbildlichen. Ebenso wichtig sind die inneren Umstände, u. zw. die Wetterfestigkeit und vor allem: die inneren Festigkeitszustände des verwendeten Materials. Gewähren wir uns einen flüchtigen Überlick aus diesem Gesichtspunkte über die Geschichte der Baukunst. Erinnern wir uns an die uralten, angeblich 10000 jährigen Granittempel von Indien. Erinnern wir uns an die übrige asiatische, ägyptische und an die aus ihnen hochentwickelte griechische Baukunst mit dem Ausdrucke der schönen Formenharmonie des irdischen Lebens.

KÜNSTLERISCHE LÖSUNG DES EISENBETONBAUES.

Allgemein charakteristisch ist die strenge, wagrechte Entwicklung: wie ihr Seelenleben, ebenso entfernte sich auch ihre Kunst nicht weit von der Erde, aber innerhalb dieser Grenzen war sie in ihrer Art harmonisch und sozusagen vollkommen. Was die inneren Umstände betrifft, so haben alle diese Zeitalter ihre Baukunst für Stein geschaffen. Sie haben gemeinschaftlich gehabt den wesentlichsten Charakterzug: den der inneren estigkeitszustände- und zwar der einfachen ruckfestigkeit. Ernst und feierlich ist das versinnlicht im dorischen Kapitäl, vornehm und reizend im ionischen. Architrav und Türsturz sind zwar nicht rein auf Druck in Anspruch genommen, wie sie den Ausdruck haben, sie sind aber so kurz, daß sie als Mauersteine betrachtet werden können. Bei eingehender Untersuchung der erwähnten Baukünste läßt sich noch ein Umstand hinzufügen, das ist, daß die Richtung des Druckes immer senkrecht war. Das beweisen die Steinfugen der feineren Mauern, und vor allem die Säulen mit den Kaneluren, welche die senkrechten komponentalen Kräfte wunderschön, künstlerisch versinnbildlichen. Jahrhunderte sind verflossen, bis die römische Kunst das Problem der Bögen und Gewölbe zu lösen versuchte. Die Stützen sind aber beinahe in griechischer Form eblieben. Nach einem Jahrtausend entfaltete sich die christliche Kunst. Die Weltanschauung der in die Höhe Gottes strebenden Seele entwickelte die verfeinerten, hohen Verhältnisse und die erhabenen andächtigen Formen. Das Problem der hohen Stützen und Mauern der Gewölbe mußte schon genau gelöst werden. Und es wurde auch elöst. Die inneren Festigkeitszustände sind noch immer dieselben: die einfache Druckfestigkeit. Die Richtung aber hat sich geändert: Sie ist nicht nur senkrecht, sondern in den Stützen schräge, in den Gewölben auch wagrecht, also ganz allgemein geworden. Wir müssen auch erwähnen, daß an den Bauwerken von China, Persien und Indien bemerkbar ist, daß die Künstler außer der Druckfestigkeit die große Kohäsion des Steines sehr in Betracht gezogen haben, welcher Umstand bei dem milderen Klima und vorzüglichen Materiale auch berechtigt ist. Die in die Felsen eingehauenen Tempel, die noch heute bestehen, die monumentalen Kuppeln aus Platten- und Balken-Elementen zusammengebaut, die längeren, sogar durchgebrochenen Steinträger, die auf weit ausladenden Steinkonsolen aufruhenden Gesimse beweisen die beträchtliche Kohäsion des Materials. Endlich in der Spätgotik finden wir bei den Gewölben und Bögen Steinstücke, welche schon auf Zug in Anspruch genommen sind. Seit diesen großen chaffenden Zeitaltern sind wieder Jahrhunderte in mehr oder weniger wertlosen Nachempfindungen verflossen, und heute stehen wir vor einem kolossalen Probleme. Wie wir gesehen haben, brauchte die Entwicklung der Baukunst tausend und tausend Jahre, bis die Druckkraft in den griechischen Formen künstlerisch vollkommen usgedrückt werde, und wieder tausende, bis sich dieser Ausdruck nicht nur für die senkrechte, sondern auch in den Gewölben-Konstruktionen für alle Richtungen finden ließ. Noch schwieriger ist unser Problem: den künstlerischen Ausdruck zu finden für ein Zeitalter, welches Materialien von zusammengesetzter Festigkeit gegen Zug und Druck verwendet. Die künftige Formenwelt der Baukunst muß also wesentlich abweichen von der bisherigen. Wir sollen auch wissen, daß sie lange Jahre brauchen wird, um die Höhe der griechischen und christlichen Künste zu erreichen. Als gewissermaßen orientierende Beispiele könnten die erwähnten alten asiatischen Baumotive dienen, welche in der Kohäsion schon eine gewisse Zugfestigkeit auch in ihrer Formgestaltung verraten. Weiters wäre als ein annähernder Formenschatz jener der Holzarchitektur zu betrachten, insofern die Zug- und Druckfestigkeiten auch hier vorhanden sind. Zwei Umstände werden aber den Formenschatz dieser Materialien ewig trennen: erstens, beim Holze ist die Zugfestigkeit beinahe gleich der Druckfestigkeit, beim Eisenbeton aber 10-30 mal so groß je nach der Art des Einlegens der Eisenstäbe. Auch sonst nach den verschiedenen Richtungen verhalten sich die Festigkeiten anders. Zweitens: beim Beton sind die Form und alle drei Dimensionen unbeschränkt. Besprechen wir nun die Detailfragen unseres Themas. Während meine Bestrebungen, den Betoneisenbau des Theaters in Veszprém im Sinne seiner speziellen Eigenschaften zu lösen und das auch künstlerisch soweit als möglich zur Geltung zu bringen, fand ich einige Prinzipien. Ich versuche, sie aus einigen ausgeführten Beispielen abzuleiten. Wenn wir die Aufgaben der tragenden Elemente mit je weniger Material lösen, also nur in den gezogenen Teilen das konstruktive Eisen verwenden, so erscheinen die gedrückten. Teile wie erwähnt etwa 20 mal massiver als die gezogenen. Das wäre unser erstes Prinzip. Das ist schon eine spezielle Eigenschaft, die nur der Eisenbeton besitzt. Der Ausdruck hierfür ergibt sich von selbst bei den gerippten Platten, wo die große Masse der Platte den Druck, die zarten Balken oder Rippen den Zug einnehmen. In dem Magazin vom Architekten Huber in Breslau sind die Kranträger nach diesem allgemeinen Prinzipe sichtlich ausgebildet (Fig.1). Die bogenförmigen Pfetten und die Pfeiler mußten schon doppelt armiert werden und hier fällt schon der erwähnte erste Charakterzug des Betoneisens weg, es ist aber immerhin streng konstruktiv. Und trotzdem können wir nicht leugnen, daß unser Schönheitsgefühl bei der Betrachtung unbefriedigt bleibt. Es ist praktisch, aufrichtig, auch interessant, aber schön noch immer nicht. Die Baumotive der großen Kunstwerke waren auch konstruktiv, praktisch, aufrichtig, aber außerdem - auch schön. Ein genauer, paralleler, steinerner Zylinderkörper als Stütze ist allerdings konstruktiv und praktisch - mit Entasis ist er außerdem auch schön. Was ist hier der Unterschied ? Eine kleine, aber wesentliche Feinheit (dasselbe, was eine färbige Photographie von dem gemalten Porträt unterscheidet) : die lebende Seele des schaffenden Künstlers. Die Entasis hat ihren Ursprung nicht nur im Vermeiden der optischen Täuschung. Die Säule übernimmt die Last: zur Beruhigung soll die dagegenwirkende Druckfestigkeit versinnlicht werden. Und der Grieche hat die Säule nach der elastischen Linie der Entasis ein wenig ausgebaucht. Die Säulesollsicher stehen an ihrer Stelle. Um das zu versinnlichen, verjüngt sie der Grieche nach oben - um eine Kleinigkeit. Aber diese kleinen Feinheiten sind Werke der lebenden, fühlenden Seelen. Interessante künstlerische Bestrebungen sehen wir in der Kirche St. Jean zu Paris vom Architekten De Bodeaux (Fig. 2). Die Überder Gewölbelast auf die Hauptpfeiler ist aber nicht genug übersichtlich, der seitliche Balken der Galerie verrät nicht, ob sie die Last des kleinen Pfeilers übernehmen soll, oder im Gegenteil, daß sie darauf ruht. Uns gewinnt aber gleich bei dem ersten Blick eine der Eisenbetoneigenschaften: die leichte, vornehme Erscheinung. Diese ist auch in den Gewölben des neuen königl. Anatomiegebäudes vom Architekten Heilmann sehr zur Geltung gebracht (Fig. 3). Wir fühlen, daß wir ein zähes Material über uns haben, aber der Ausfühlen für die spezielle Zug- und Druckfestigkeit ist in der Gewölbeform nicht vorhanden. Je besser sie konstruiert ist, um so mehr liegt die resultierende Drucklinie und Druckfläche im Körper des Gewölbes. Es ist also eine Konstruktion auf Druckfestigkeit. Die kassettierten Decken desselben Gebäudes (Fig. 4). drücken schon die speziellen Kräfteverhältnisse des Eisenbetons sehr gelungen aus. Oben die volle, massive Platte ist gedrückt samt den oberen Verstärkungen der Balken. Unten sind die Balken schon ganz schmal: das ist die Druckzone. Der speziale Eisenbetoncharakter tritt noch entschiedener vor in der Markthalle zu Breslau von der Firma Brandt (Fig. 7). Die hohen Bögen sind nur aus dem zähen Eisenbeton möglich. In diesem Werke fühlen wir schon ein gewisses Leben. Wir ahnen schon, wie der Künstler die Rollen in dieser Gesellschaft der wirkenden Kräfte ausgeteilt hat. Die Sprache ist aufrichtig, unvermittelt, doch noch immer nicht genügend künstlerisch und nicht genügend ausdrucksvoll. Wir sollen es mit Wohlgefallen empfinden können, wie die Rippen, Balken und Bogen die Last der Decken etc. aufnehmen. Wir sollen empfinden können, wie die Last von den größten Gitterträgern gesammelt und konzentriert auf die Stützen weitergegeben wird, welche sie mit sichtlicher Ruhe und Sicherheit tragen. Wie soll aber dieser Kampf der Kräfte im starren toten Materiale versinnbildlicht werden? Die Festigkeitszustände, das Spiel der Kräfte an und für sich, sind viel zu abstrakt dazu ... Erst die bildenden Künste antworten darauf: durch die Darstellung der Handlung. Will ein Maler oder Bildhauer eine Handlung darstellen, so sucht er bekanntlich den wesentlichsten, den am meisten charakterisierenden Moment aus. Und das ist einer der letzten Momente. Stellen wir uns vor, daß eine Stütze aus elastischem Materiale auf Druck in Anspruch genommen ist und endlich zerdrückt wird. Unmittelbar bevor das geschehen wird, versucht das Material nach allen Richtungen auszuweichen: die Stütze wird geschwellt. Der Umriß ist beiderseits konvex. In diesem Momente ist die Form die charakterisierende für die Inanspruchnahme auf Druck. Ist ein Stab aus elastischem Materiale auf Zug in Anspruch genommen, so verlängert er sich, bevor er zerreißt. Die Menge der Masse ist konstant, sie muß sich aber auf eine größere Länge verteilen, muß sich daher verjüngen - und zwar bei homogenem Material am meisten in der Mitte. Der Umriß wird beiderseits konkav. In diesem Momente ist die Form die charakterisierende für die Inanspruchnahme auf Zug. Das wäre das zweite Prinzip, welches wir für die künstlerishe Lösung des Eisenbetons gefunden haben. Eigentlich ist es gar nicht neu. Wir sahen, daß die Griechen den Druck in den Säulen ebenso versinnbildlicht haben. Wie wir uns erinnern, haben wir in der Markthalle den nach der Mitte verjüngten, gezogenen unteren Gurt der Gitterträger mit Gefallen entdeckt. Und es ist äußerst beruhigend, wenn wir durch psychologische und technische Grundsätze zu demselben Resultate gelangen, wie die feinfühlenden griechischen Künstler vor Jahrtausenden. Das können nur Motive sein, die in dem tiefsten Grunde der menschlichen Seele ihren Ursprung haben. Nach diesem Prinzipe wären alle die Stützen, ferner die oberen Gurten der Gitterträger ein wenig konvex zu formen, mit einer Entasis zu versehen, dagegen die Bundträme der Dachkonstruktionen, ferner der untere Gurt der Gitterträger etc. ein wenig konkav zu formen, wir können sagen, mit einer negativen Entasis zu versehen. Diese Hauptlinien sollen aber von der Geraden nich sehr abweichen, damit die ganze Erscheinung genügend stramm bleibt, um das zähe Material zu charakterisieren. Innerhalb dieser Prinzipien ist die Formengestaltung ganz frei. Wenn der Projektierende ein aufrichtiger, wahrhaft schaffender Künstler ist, so werden sich in der Formenspache die Umrisse unwillkürlich offenbaren: seine Individualität, sein Rassencharakter und sein Zeitgeist. Erlauben Sie, meine Herren, daß ich als Ungar in einigen Bildern die Quelle darstelle, aus welcher wir schöpfen und woraus wir eine erfrischende Kraft, eine natürliche Kunstfreude gewinnen, um unsere architektonischen Gefühle in unserer Formensprache zu erzählen. Der eigentümliche orientalische Charakter, der außerordentlich logische und aufrichtige Aufbau, die künstlerische Verwandtschaft der Holzkonstruktion mit jener des Eisenbetons machen diese Werke für unsere modernen Bestrebungen sehr wertvoll. (Kirche in Korösfo, Banffy-Hunyad, Bauernhaus in Mákó, Gernyeszeg, Visonta etc.) Der nationale Charakter selbst ist kein Zweck, ergibt sich aber von selbst aus der Aufrichtigkeit des Schaffens. Eine Bestrebung in dieser ungarischen unstrichtung weist die Ausbildung des neuen Saales der Hauptpost in Budapest auf. Ein Werk der Architekten Ray und Prof. Zielinsky (Fig. 3.) Die technische Lösung ist interessant, die Formen erinnern aber noch sehr an die Holzvorbilder. Gestatten Sie, meine Herren, daß ich Ihnen einige Details auch von meinem erwähnten Bau vorführe. Der Bau ist zwar nicht ganz aus Eisenbeton hergestellt, insofern die Mauern aus Stein und Ziegel gefügt sind; alles übrige aber, Decken, Dächer, Stiegen, Galerie und Logenkonstruktionen, sowie die großen Fenster sind in sichtbarer Eisenbetonkonstruktion gelöst. Auf dieselbe Weise ist das Hauptgesims gelöst. Die durchbrochenen Konsolen tragen die Gesimsplatte mit der darauf betonierten Dachrinne und der daran gehängten Ablaufrinne (Fig. 4.) Auch diese Arbeiten sind in einem aus Bretterschalung hergestellten Modelle eingestampft, welches Einformen durch die flach gehaltenen Elemente, wie Platten und Konsolen, auch betont ist. Die Formgebung der Umrisse ist schon leichter zu bewerkstelligen mit den zwischen den parallelen Brettern gelegten Formstücken. Die hier dargestellten Logenkonsolen )Fig. 5. und 5a.) tragen unmittelbar die Betonplatte und Brüstung. Sind sie belastet, so wird der obere Teil auf Zug, der untere auf Druck in Anspruch genommen wie in einem Gitterwerke. Demnach ist der obere Gurt gegen die Mitte verjüngt und der untere etwas nach außen geschwellt. Offen gestanden, als ich dies zeichnete, war ich mir dieses Prinzipes nich bewußt und heute würde ich viel eher und sicherer die Lösung finden. Im folgenden Bilde ist die Terrassen-Pergola der Bühne des Veszprémer Theaterbaues veranschaulicht (Fig. 6.) Die gedrückten Stützen sind geschweift. Die Balken haben den Zweck, die Pfeiler auszusteifen. Bei der wechselnden Inanspruchnahme sind sie in einem Falle oben besonders bei den Pfeilern auf Zug in Anspruch genommen: die Linie ist also eine kontinuierlich konkave; unten wären sie in demselben Falle gedrückt, welcher Umstand hier mit den kleinen Knoten ausgedrückt sei, als wenn das Material unter dem Drucke an diesen Stellen im Begriff wäre, sich zu falten. Einen weiteren speziellen Eisenbetoncharakter gewinnen die Pfeilerköpfe. In diesem Falle sind sie wie bei den alten Steinbauten für die Aufnahme mehrerer Balken nach oben verbreitert (Fig. 7.). Bei den durchlaufenden Eisenbetonbalken genügt aber für die Auflage des letzteren eine Fläche, die nach dem senkrechten Drucke dimensioniert ist: folglich ist dieser Querschnitt immer kleiner als der des Pfeilers, welcher außer dem Druck noch gegen das Ausbiegen eine Festigkeit haben muß. So habe ich also die Pfeilerköpfe nach oben entsprechend verjüngt (Fig. 8. und 8a.; Marmorverkleidung mit Bronzegürteln). Noch stärker ist die Verjüngung bei den aus Stein gemauerten Pfeilern (Fig. 9.) In unserem Falle ist die Druckfestigkeit etwa fünfmal so groß in dem oberen Teile als in der unteren Fläche, wo der Pfeilerkopf auf dem gemauerten Pfeiler aufliegt. Diese Köpfe sind oben konvex, um das gedrückte und nach jeder Richtung zum Ausweichen strebende Material zu versinnbildlichen. Um auszudrücken, daß in unserem Falle auch eine Zugfestigkeit vorhanden ist, habe ich die diagonalen Rippen angeordnet, die das Material zusammenhalten. (Sind auch die Hauptmauern aus Eisenbeton, wobei das ungleichmäßige Sinken derselben nicht zu berücksichtigen ist, so konstruieren wir ein Monolit-Eisenbetonwerk. In diesem Falle wird die Säule - ganz im Gegenteile - in die Balken, mit Konsolen eingebunden.) Endlich war ich bestrebt, das Prinzip durchzuführen, daß alle tragenden Elemente, wie Stützen, Balken, Rippen, Konsolen, als solche zur Geltung gebracht werden, im Gegensatze zu den Flächenelementen, die nur den Raum scheiden sollen. Ich faßte dieselbe als eine gleichmäßige Materialschicht auf, in voller Fläche wie z. B. die Deckenplatten, oder durchbrochen wie die Brüstungen (Fig. 10.) Auch die Fenster faßte ich so auf (Fig. 11. und 12.). Das Theater ist zentral gelüftet, die Fenster brauchen also mit wenigen Ausnahmen nicht geöffnet zu werden. Das Glas legt sich in den beiderseitigen Falz der Betonrippen ein und der Eisenbeton ist somit ein gleichmäßiges Netz für die zu verglasende Fläche, die hermetisch schließt.Die Formgestaltung ist hier, wie ich eben erwähnte, beinahe ausschließlich eine ästhetische Aufgabe, in der Formensprache der betreffenden Rasse. Im Laufe der Zeiten mit der Entwicklung der Menschheit werden die Gegensätze der Rassen mehr und mehr verschwinden. Dann werden diese voneinander sich unterscheidenden Kunstrichtungen, diese Formensprachen, sich immer mehr und mehr einander nähern. Sie werden einst als die schönsten und edelsten Dokumente aus der Geschichte der kämpfenden Völker bleiben. Die künstlerische Lösung des Eisenbetons stellt uns vor ein neues und großes Problem. Wir sollen trachten, die Weltanschauung unserer Zeit zu fühlen und zu erkennen. Seien wir im Formenschaffen aufrichtig uns selbst gegenüber und seien wir bestrebt, die speziellen Festigkeitszustände des neuen Materials künstlerisch zu charakterisieren. (Lebhafter Beifall.) Mit dem Ausdrucke des wärmsten Dankes für die interessanten Ausführungen des Vortragenden schließt der Vorsitzende die Versammlung.


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